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Erziehung als Auftrag Gottes und Beziehungsgeschehen – Frühlingsforum vom 4. März 2022

Unter dem Titel «Erziehen mit Freude und Vision – von Gott beauftragt» haben beim Forum Ehe + Familie der gleichnamigen SEA-Arbeitsgemeinschaft zwei Mitglieder des Leitungsteams die Teilnehmenden in ihre Gedanken zur christlichen Erziehung mitgenommen. Als wichtige Grundlagen sehen sie Wertschätzung, Liebe, Freude und Vision. 

«Unter uns sind Kinder, die später als Erwachsene herumlaufen», eröffnete Martin Schnyder seine Einführung ins Thema. Was in der Erziehung gut gemacht werde, habe segensreiche Spuren ein Leben lang. Er betonte, dass Beziehung vor Erziehung komme. Was konkret heisse, dass das Mass der Wertschätzung dem Kind gegenüber von grosser Bedeutung sei. «Es ist wichtig, dass wir dem Kind gegenüber ausdrücken, dass es mir wichtig ist.» Wertschätzung sei für jede Beziehung von grundlegender Bedeutung, sei es in Familie, Beruf oder eben Erziehung. 

«Das 5. Gebot («Ehre Vater und Mutter.») hat nichts mit Erziehung zu tun, sondern mit Altersvorsorge», sagte Schnyder weiter. Die Zehn Gebote waren ans Volk geschrieben, nicht an die Kinder. Fälschlicherweise hat man sehr lange den Gehorsam als dominierendes Erziehungsprinzip aus der Bibel herausgelesen. Martin Schnyder stellt das in Frage: «Das grösste Gebot ist Liebe, nicht Gehorsam.» 

 

Schwierigkeiten gehören dazu 

Doris Bürki, sieht in der Erziehung einen Auftrag Gottes an die Eltern. Dabei sei Vergebungsbereitschaft wichtig im Familienleben. «Oftmals habe ich als Mutter weder Freude noch Vision für die Kindererziehung gehabt», erzählte die sechsfache Mutter. Erst als sie ihre Vision in die Zukunft ihrer jungen Erwachsenen gerichtet habe, die nun als gläubige und mündige Christen unterwegs seien, habe sie wieder Freude entwickelt. Nur in einer Atmosphäre von Freude und Annahme könne schliesslich Lernen gelingen. 

Gleichzeitig warnt Bürki davor, dass Kindererziehung nicht dazu instrumentalisiert werden darf, einen persönlichen Traum zu verwirklichen. «Kinder sind nicht unsere post-pubertäre Illusionserfüllungs-Plattform.» Doris Bürki verweist auf Professorin Margrit Stamm, die auf eine falsche Hierarchieumkehr hinweist, wenn zum Beispiel eine zu grosse Fixierung auf das Kind geschieht oder davon ausgegangen wird, dass es keine Schwierigkeiten geben dürfe. Es sollte vermieden werden, dass Kinder zu Partnern oder zu einer Projektion werden. Überaus problematisch ist auch eine Symbiose von Eltern und Kind. Stattdessen ist eine gesunde Beziehungsgrundlage anzustreben, die zum Beispiel zwischen Wünschen und echten Bedürfnissen des Kindes zu unterscheiden weiss. 

 

Für mehr Freude und Erziehungskompetenz 

Auch Bürki nimmt das Liebesgebot als wichtige Referenz: Sie sieht darin drei Ebenen als Grundlage für die christliche Erziehung: Die Gottesbeziehung (Gott liebt uns), die Persönlichkeit (sich selbst lieben) und die Nächstenliebe (liebendes Handeln). Davon ausgehend steckt sie zu den obigen Problematiken fünf Handlungsfelder ab, die zu mehr Freude und Erziehungskompetenz führen können: Gelassenheit durch bewusste Identität, Vision durch Ermutigung, gelingende Kommunikation durch Nähe, Sicherheit durch elterliche Präsenz und dies alles eingebettet in humorvolle Zuversicht. 

Das Forum bot den rund 30 Teilnehmenden immer wieder Gelegenheit, über das Gehörte in Kleingruppen auszutauschen und sich organisationsübergreifend zu vernetzen. Das nächste Forum findet am 25. November 2022 statt. www.forumehefamilie.ch 

 

Das Forum Ehe + Familie, eine Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Evangelischen Allianz, nimmt seinen Auftrag der Vernetzung wahr, indem es regelmässig eine Möglichkeit des persönlichen Austauschs zwischen Fachorganisationen und Kirchenvertretern schafft. Das nächste Forum findet am 25. November 2022 statt. 

Das Dilemma der christlichen Erziehung

Christliche Erziehung steht im Dilemma zwischen Furcht und Freiheit. Dazu sprach Prof. Dr. Tobias Künkler am Wintertreffen der SEA-Arbeitsgemeinschaft „Forum Ehe+Familie“ (FEF) in Zürich. Rund 50 Mitglieder und Interessierte setzten sich in Vorträgen und Diskussionen engagiert mit den Ergebnissen dieser breit angelegten Studie auseinander.

Wissenschaftler aus der CVJM Hochschule in Kassel und dem Studienzentrum Empirica untersuchten zwischen den Jahren 2014 bis 2016, wie Kinder in christlichen Familien aufwachsen. Professor Künkler präsentierte dem fachkundigen Publikum sehr ermutigende Ergebnisse. Christliche Familien sind quicklebendig und vital. Sie schaffen viel emotionale Wärme, vermitteln das Bild eines liebenden Gottes und pflegen lebendige Rituale. Christliche Väter und Mütter respektieren die Freiheit ihrer Kinder und sind sich bewusst, dass der Glaube nicht „gemacht“ werden kann. Dank diesen vertrauensvollen Eltern-Kind Beziehungen sind optimale Voraussetzungen für die gesunde Entwicklung von Kindern vorhanden. Viele Kinder sind mit der Erziehung ihrer Eltern derart zufrieden, so Künkler, dass sie es einst genauso machen wollen. Dies ist eine deutliche positive Entwicklung. Der gesellschaftliche Wandel weg vom autoritativen Erziehungsstil hat sich also keineswegs als negativ für christliche Familien erwiesen.
Doch steht christliche Erziehung im Dilemma, sagt Professor Künkler. Neben wachsender Freiheit ist Furcht ein Bestandteil christlicher Familien. Etwa ein Viertel der Befragten sind uneindeutig bezüglich Gewalt gegenüber ihren Kindern. Aber nicht nur körperliche Strafen lösen Furcht aus. Für viele der befragten Eltern ist es sehr wichtig, dass die Kinder ihre Art des Glaubens übernehmen oder sich in sexualethischen Fragen (Sex vor der Ehe, Homosexualität) nach ihren Vorstellungen entwickeln. Damit werde das Kind jedoch vor eine „alternativlose Entscheidung“ gestellt. Eine solche weit verbreitete, „einweisende Erziehung“ setzt Kinder unter grossen Druck. Denn Kinder wissen oft sehr genau, was sie ihren Eltern Schlimmes antun würden, wenn sie z. B. in Glaubensfragen nicht ihren Eltern folgen. Eine Identität ohne Glauben könne sich so nur mit Schuldgefühlen entwickeln, meint Künkler.

Künkler plädierte abschliessend dafür, dass Kinder auch in der Familie andere Weltanschauungen kennen lernen sollten. Nur so können sich Kinder, ohne Angst in einer pluralistischen Welt bewegen. Zudem solle man früh mit Kindern über Sexualität sprechen. Zu einer stimmigen Glaubenserziehung gehöre vor allem, dem Kind zu vermitteln, dass man es liebt, auch wenn es anders ist. Wer als Vater oder Mutter für seine Glaubensüberzeugungen wirbt und ihm Liebe vermittelt, egal welchen Weg es wählt („Hinweisende Erziehung“), leistet einen grossen Beitrag um dem Dilemma der christlichen Erziehung konstruktiv zu begegnen.

Nach ausführlichen Diskussionen mit dem Referenten wurden die Ergebnisse der Studie von den Teilnehmenden in vier Fachkreisen vertieft. Das FEF will Eltern konkret in ihrer Erziehungsarbeit unterstützen. Damit Eltern in der grossen Vielfalt von Erziehungsratgebern besser zwischen weniger Hilfreichen und guten Angeboten unterscheiden können, soll eine Hilfestellung erarbeitet werden, informierte Martin Schnyder vom Leitungsteam FEF.

Martin Schnyder vom FEF-Leitungsteam mit Tobias Künkler

 

Die Bücher zur Studie:

 

© Dieser Artikel wurde von Andi Bachmann für ideaSpektrum Schweiz verfasst, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags.